So partizipieren Jugendliche in ganz Bayern

Teilhabe für alle Menschen

Menschen mit Behinderung sollen so leben können, wie Menschen ohne Behinderung. So steht es in der UN-Behindertenrechts-Konvention. Doch noch ist dieses Ziel nicht erreicht. 

Allerdings tut sich etwas. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde eingeführt. Es sieht für Menschen mit Behinderung viele Verbesserungen vor. Mit dem BTHG wurden mehr Möglichkeiten der Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung geschaffen. Damit wurde auch ein Denkprozess in der Gesellschaft angestoßen. In Bayern nehmen wir die Beteiligung von Menschen mit Behinderung sehr ernst. Deswegen haben wir die Einbindung von Menschen mit Behinderung in bestimmten Gremien und Prozessen auch gesetzlich geregelt. So sind sie zum Beispiel fester Bestandteilt der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe.

Behinderung ist keine Privatsache

Im Gesetz heißt es jetzt zum Beispiel: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“ Das ist ein komplizierter Satz, aber er ist wichtig. Denn dieser Satz macht deutlich, dass das Stichwort „Beeinträchtigung“ mit der Wechselwirkung aus Behinderung und dem Umgang der Gesellschaft mit dieser zu tun hat – es sind AUCH die Umweltbedingungen und die Einstellungen der anderen Menschen, die dafür sorgen, dass Menschen, die nicht sehen oder hören können, beeinträchtigt sind.

Nur, wenn sich die gesamtgesellschaftliche Einstellung ändert, kann das besser werden. Wichtig ist, dass uns bewusst ist, dass es Angebote für ALLE Menschen geben muss!

Wie äußert jemand, der nicht sprechen kann, seine Wünsche? Es gibt mehr Möglichkeiten, als du denkst. 

Gebärden, Lormen oder der Einsatz von Bildern

Wichtig ist, Menschen mit Behinderung zu fragen, was sie wollen. Das dauert unter Umständen etwas länger als üblich, weil je nach den besonderen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen die Kommunikation zum Beispiel mit Hilfsmitteln funktioniert. Neben Geduld und Zeit braucht es gegenseitiges Kennenlernen und Empathie, also die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu verstehen. 

Einige der besonderen Kommunikationsformen im Überblick:

Gebärdensprachen. In Deutschland leben ca. 80.000 gehörlose Menschen. Sie bezeichnen sich selbst als gehörlos oder taub. Bei Gebärdensprachen handelt es sich um ein ausgefeiltes intensives Zusammenspiel von Bewegungen mit den Händen (Gebärden), Mimik, Kopf- und Körperhaltung und Mundbewegungen. Seit 2002 ist die Deutsche Gebärdensprache (kurz: DGS) gesetzlich anerkannt. Gebärdensprachen folgen einer komplexen eigenständigen Struktur und Grammatik, sie können wie jede andere Fremdsprache erlernt werden.

Lormen. Das Lormen oder Lorm-Alphabet dient der Kommunikation zwischen Taubblinden und nicht-taubblinden Menschen sowie taubblinden Menschen untereinander. Der „Sprechende“ tastet dabei auf die Handinnenfläche des „Lesenden“. Dabei sind einzelne Finger sowie bestimmten Handpartien bestimmten Buchstaben zugeordnet. 

„Sprechen“ mit Bildern. Eine Möglichkeit der Kommunikation, z.B. für Menschen, die an „Aphasie“ leiden. Diese betroffenen haben ihre Sprache verloren. Das kann etwa passieren, wenn jemand eine schwere Kopfverletzung erlitten hat. Dann ist das Sprechen gestört. Viele Betroffene sprechen mühevoll, suchen oft erfolglos nach Wörtern oder bilden Sätze im Telegrammstil. Andere sprechen flüssig, verwechseln aber Laute oder vertauschen Wortbedeutungen. Den Betroffenen ist dies am Anfang nicht bewusst. Sie denken geordnet, aber sie sprechen „durcheinander“. Wie fragt man also jemanden, der seine Wörter nicht findet, was er will? Indem man Bildkärtchen einsetzt, auf die gezeigt werden kann. 

Teilhabe-Kiste. Damit können zum Beispiel junge Leute ab 16 Jahren, die keinen großen Wortschatz haben, ihre Wünsche und Ziele im Leben verdeutlichen. Die Kiste besteht aus Karteikarten mit möglichen Zielformulierungen und aus Bögen, mit denen Betreuende erfassen können, wo und wie Teilhabe aussehen könnte. In der Praxis kommt es vor, dass Betreuende die Interessen der Betreuten vorformulieren, um sie dann mit den Betroffenen zu besprechen. Mit diesem Instrument ändert sich die Perspektive: Ausgehend von den Wünschen und den Vorstellungen der Menschen mit besonderen Bedürfnissen werden die Möglichkeiten der Teilhabe ermittelt. Es geht um alle wichtigen Themen des Lebens: Um Freundschaft, um das Schulleben oder die Arbeit, um Freizeitaktivitäten, aber auch um Religion oder spirituelle Fragen – und natürlich auch um das Recht auf Teilhabe und Mitbestimmung!
 

Jugendparlament

Diversität und Chancengleichheit sind deine Themen? Du hast Lust, dich mit Gleichgesinnten politisch zu engagieren und deine Lebenswelt aktiv mitzugestalten? Im Jugendparlament können alle mitmachen und ihre Themen einbringen – und das unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft.

Mascha Tace, Shutterstock

Teilhabe für alle: Der Bezirksjugendring Mittelfranken

Wie funktionieren Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit in einem Bezirksjugendring? Und was ist das überhaupt? Das erklärt Theresa Lang, pädagogische Mitarbeiterin des Bezirksjugendrings Mittelfranken.

Im Bezirksjugendring Mittelfranken haben sich in 33 Jugendverbände und zwölf Stadt- und Kreisjugendringe 370.000 Kinder und Jugendliche zusammengeschlossen, erklärt Theresa Lang. Alle gemeinsam sorgen sie dafür, dass kulturelle Angebote stattfinden, die Meinungen und Wünsche von Kindern und Jugendlichen auch in der Politik ankommen und dass junge Menschen in Bayern so leben können, wie sie es sich vorstellen.

So arbeitet der Bezirksjugendring

In allererster Linie vernetzt der Bezirksjugendring Mittelfranken Jugendringe und Jugendverbände. Außerdem berät er diese, zum Beispiel bei Netzwerktreffen. Da kommen Themen wie Medienpädagogik und politische Bildung auf den Tisch, es wird zum Beispiel aber auch über Barrierefreiheit und Inklusion gesprochen. Zusätzlich organisiert der Bezirksjugendring regelmäßig Termine für Beratungen, Seminare und Workshops. Er kümmert sich aber auch um Lobbyarbeit oder die finanzielle Förderung von Projekten, die Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter gerne umsetzen würden.

Diversität, Inklusion, Barrierefreiheit – was ist das überhaupt?

Seit 2019 ist Theresa Lang als pädagogische Mitarbeiterin beim Bezirksjugendring Mittelfranken. Dort hat sie sich von Anfang an den Themen Inklusion und Barrierefreiheit gewidmet. Sie setzt sich dafür ein, dass Barrieren abgebaut werden, damit alle Kinder und Jugendlichen möglichst alles tun können, was ihnen Spaß macht. Und das unabhängig davon, ob sie eine Behinderung oder Krankheit haben. Das heißt auch, dass die Umwelt so gestaltet werden muss, dass es keine Barrieren gibt. Das kann zum Beispiel eine Rampe sein, die es allen ermöglicht, in einen Veranstaltungsort zu kommen oder dass Dolmetscherinnen und Dolmetscher bei einer Veranstaltung dabei sind und die Inhalte, für zum Beispiel Nichtmuttersprachler, übersetzen. Im Bezirksjugendring Mittelfranken hat Theresa Lang in Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen deshalb schon einige Projekte organisiert, die Barrieren abbauen und so für die Inklusion aller Kinder und Jugendlichen sorgen. 

3 Projekte, die Inklusion und Barrierefreiheit für Kinder und Jugendliche stärken

  • „Jung und Verschieden – Diversitätsbewusste Jugendarbeit in Mittelfranken“
    m Rahmen des Projekts „Jung und Verschieden“ konnten sich Kinder und Jugendliche gemeinsam künstlerisch austoben. Außerdem haben sie hier gelernt, wie sie sich für ihre Interessen stark machen können und selbst dafür sorgen können, dass niemand, zum Beispiel wegen Hautfarbe, Geschlecht oder Religion, ausgeschlossen wird. Da haben auch Erwachsene noch einiges zu lernen. Für sie gab es deswegen auch Beratungsangebote, um junge Menschen besser unterstützen zu können.
  • „Grenzenlos!“ 
    Das Projekt „Grenzenlos!“ wurde von der „Aktion Mensch“ gefördert. Hier fanden viele Workshops statt, an denen alle jungen Menschen, mit und ohne Behinderung, teilnehmen konnten. In 29 inklusiven Workshops haben die Teilnehmenden gemeinsam gemalt, musiziert, getanzt, gezaubert oder Theater gespielt und haben so gelernt, mit Berührungsängsten und Vorurteile aufzuräumen. 
  • „Märchenhafte Kartensets“ 
    Im Rahmen der Projekte „Grenzenlos!“ und „Jung und Verschieden“ sind vier märchenhafte Kartensets entstanden. Sie bringen Kindern das Thema Inklusion und Vielfalt in unserer Gesellschaft näher. Auf den Karten werden Themen wie Ausgrenzung, Gehörlosigkeit, Einzigartigkeit und Freiheit behandelt.

Ideenwettbewerb und Open-Air-Festival

Im Freistaat Bayern gibt es bereits gute Strukturen in Städten und Landkreisen, die Jugendlichen wirkungsvolle und gelebte Partizipation in den unterschiedlichen Lebensbereichen ermöglichen.

Drei gute Beispiele, wie Partizipation gelingt: Augsburg, Nürnberg und Rosenheim: In den Städten sowie ländlichen Regionen gibt es ausgezeichnete Angebote für Jugendliche, sich zu beteiligen.

Mitbestimmung in Augsburg

In Augsburg entsteht ein neues Stadtviertel: Haunstetten Südwest. Hier sollen einmal 10 000 Menschen leben und 5 000 Arbeitsplätze entstehen. Es ist das größte Wohnbauvorhaben in Augsburg. 2017 hat man sich entschieden, ein neues Stadtviertel zu entwickeln und alle Bewohnerinnen und Bewohner an der Planung zu beteiligen, so auch Kinder und Jugendliche, ganz im Sinne von Oberbürgermeisterin Eva Weber. Denn bis alles fertig ist, können noch rund 30 Jahre vergehen. Alleine deshalb ist es wichtig, dass junge Menschen heute schon mitbestimmen, wie es einmal aussehen wird, denn sie sind es, die dort vielleicht eines Tages leben.

© Rawpixel, iStock

Konzept, wie Mitbestimmung gelingen kann

Für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hat der Stadtjugendring Augsburg ein Partizipationskonzept für eine „jugendgerechte Kommune Augsburg“ erstellt. An der Ausarbeitung waren neben dem Stadtjugendring (SJR) auch verschiedene Institutionen der Stadt Augsburg beteiligt. In dem Konzept wird gefordert, dass Beteiligung für alle Kinder und Jugendliche möglich gemacht werden soll. Die Angebote sollen vielfältig und leicht zugänglich sein. Gemeinsam werden Ziele festgelegt. Zum Beispiel sollen Entscheidungsräume klar benannt werden, auch soll ein gemeinsames Beteiligungsnetzwerk entstehen. Du willst mehr dazu wissen? Hier informiert dich der Stadtjugendring Augsburg.

In Nürnberg wird es „laut!“

Das Projekt „laut!“ zur politischen Beteiligung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Nürnberg ist ein Kooperationsprojekt des Jugendamtes der Stadt Nürnberg, des Kreisjugendrings und des Medienzentrums Parabol. „laut!“ bietet verschiedene Formen der Beteiligung für Jugendliche. Es gibt regelmäßige Vor-Ort-Veranstaltungen, wie zum Beispiel ein Open-Air-Festival, das einmal im Jahr auf die Beine gestellt wird. Unter anderem gibt es auf dem Festival ein Politcafé. Junge Leute können sich im Politcafé mit den Nürnberger Stadtpolitikern über ihre Anliegen austauschen. Außerdem gibt es kreative Angebote wie eine Siebdruck-Station, aber auch Cocktails, Musik und eine Skate- und Parcoursshow.

Schau dich mal um: https://laut-nuernberg.de/

© Mascha Tace, Shutterstock

#myvision im Landkreis Rosenheim

Dass Mitbestimmung nicht nur in großen Städten gut läuft, sondern auch in ländlichen Regionen, zeigt zum Beispiel der Landkreis Rosenheim. Der Kommunalen Jugendarbeit im Landkreis Rosenheim ist mit „#myvision“ etwas gelungen, was bundesweit mit Aufmerksamkeit verfolgt wird. Das „Rosenheimer Modell“ besteht inzwischen aus zwei Säulen: Im jährlichen Wechsel gibt es eine zentrale 3-tägige Jugendkonferenz und 4 dezentrale eintägige Jugendforen.

In einem Jahr eine zentrale Konferenz, im nächsten vier Jugendformen

Zur 3-tägigen Jugendkonferenz kommen Jugendliche aus dem gesamten Landkreis zusammen. Um aber mehr Jugendlichen die Gelegenheit zu geben, ihre Anliegen öffentlich zu machen, werden nun alle zwei Jahre statt der zentralen Konferenz 4 eintägige Jugendforen durchgeführt – verteilt im Landkreis.

Jugendliche entwickeln Vorschläge

Bei diesen Treffen erarbeiten Jugendliche Vorschläge und Änderungswünsche, wie zum Beispiel: mehr Radwege, mehr geeignete Orte, an denen junge Leute sich treffen können, oder günstigere Busfahrscheine für Jugendliche. Zudem überlegen sie gemeinsam, wie sie selbst einen Beitrag dazu leisten können, dass ihre Orte lebenswerter werden. Die Ideen, Wünsche und Vorschläge werden am Ende der jeweiligen Treffen dem Landrat des Landkreises Rosenheim, einigen Bürgermeistern und Jugendbeauftragten der Städte und Gemeinden und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Landratsamt sowie den Gemeindeverwaltungen präsentiert.

Hier gibt es weitere Informationen zu den Beteiligungsmöglichkeiten im Landkreis Rosenheim.

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